Einmalige Erhöhung der RVG-Gebühren um 10% geplant

Einmalige Erhöhung der RVG-Gebühren um 10% geplant

Vorstand gibt Stellungnahme zur Gesetzentwurf ab

Der Gesamtvorstand hat sich in seiner Sitzung am 12.August 2020 mit dem Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Justizkosten- und des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 – KostRÄG 2021) befasst und hat anschließend gegenüber der Bundesrechtanwaltskammer eine Stellungnahme abgegeben.

Auf der Vorstandssitzung hat die Berichterstatterin zunächst geschildert, dass die letzte Erhöhung der RVG-Gebühren zum 01. August 2013 in Kraft getreten sei und dass die Forderung der BRAK und des DAV im Jahre 2018 nach einer 13 %-igen linearen Gebührenerhöhung und nach anschließenden regelmäßige linearen Erhöhungen zunächst wenig habe bewegen können. Erst Anfang 2020 sei es bei Beratungen von Vertretern der BRAK und des DAV mit von der Justizministerkonferenz beauftragten Ländervertretern gelungen, ein Eckpunktepapier für eine Kompromisslösung zu erarbeiten. Das Eckpunktepapier finde sich nun weitgehend im Referentenentwurf wieder. Danach soll es eine einmalige lineare Erhöhung der Rechtsanwaltsgebühren um 10 %, verbunden mit einer entsprechenden Erhöhung der Gerichtsgebühren, geben. Bei der Rechtsanwaltsvergütung in sozialrechtlichen Mandaten solle es eine Sonderanpassung um weitere 10 % geben. Die PKH-/VKH-Kappungsgrenze soll auf 50.000,00 Euro erhöht werden.

Die ausführliche Stellungnahme des Gesamtvorstands geben wir hier in Auszügen wieder:

„Obwohl der Referentenentwurf dem Forderungskatalog der Anwaltschaft zu mehreren wichtigen Fragen nachkommt, ist das Ergebnis im Hinblick auf die ursprünglichen Kernforderungen der Anwaltschaft – eine Gebührenanpassung um 13 Prozent und die Verankerung einer regelmäßigen linearen Gebührenanpassung – letztlich dennoch enttäuschend. Insbesondere die Ablehnung einer regelmäßigen linearen Gebührenanpassung bedeutet für die Anwaltschaft, dass sie nach der nun beabsichtigten Erhöhung um 10 % möglicherweise erneut auf Jahre nicht mit einer erneuten Anpassung rechnen kann. Auch die Liste der vom BMJV abgelehnten strukturellen und inhaltlichen Änderungsvorschläge der Anwaltschaft ist immer noch beträchtlich.

Dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer Berlin ist jedoch bewusst, dass ohne weitere Verzögerung der längst überfälligen Anpassung derzeit offenbar keine andere Lösung erzielt werden kann.

Zu den einzelnen Regelungen besteht aus Sicht der Rechtsanwaltskammer Berlin in folgenden Punkten Nachbesserungsbedarf:

I.    § 45 Abs. 1 FamGKG-E Anhebung Regelverfahrenswert in Kindschaftssachen (Ziffer 2.3.2.a) des Forderungskatalogs der Anwaltschaft)

Dass eine Anhebung des Regelverfahrenswertes in isolierten Kindschaftssachen erfolgt, wird ausdrücklich begrüßt. Dass der Wert lediglich auf 4.000,00 € angehoben werden soll, ist jedoch inakzeptabel.

Forderung der Anwaltschaft:
Angeregt war im Forderungskatalog eine Anhebung auf 5.000,00 € mit entsprechender Begründung.

Mit dem 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz wurde der Auffangwert im RVG und anderen Kostengesetzen, u.a. auch in § 42 Abs. 3 FamGKG, auf 5.000 € angehoben und damit an den Wert in § 52 Abs. 2 GKG angeglichen. Eine Anpassung des Verfahrenswertes für Kindschaftssachen ist in diesem Zuge jedoch nicht erfolgt. Dieser Wert ist seit 2002, mehr als 15 Jahren, unverändert geblieben.

[…]

Es gibt daher keinen ersichtlichen Grund dafür, dass der Regelverfahrenswert in Kindschaftssachen geringer ist als der Wert in § 52 Abs. 2 GKG.

Angestrebt werden sollte weiterhin eine Anpassung auf 5.000,00 € gemäß Ziffer 2.3.2.a des Forderungskatalogs der Anwaltschaft

 

II.    § 19 Abs. 1b RVG-E Streitverkündung (Ziffer 2.3.1 des Forderungskataloges der Anwaltschaft)

Die beabsichtigte Ergänzung in § 19 Abs. 1b RVG-E soll klarstellen, dass die Streitverkündung vergütungsrechtlich eine Nebentätigkeit ist, die mit dem Rechtszug zusammenhängt. Sie ist daher keine besondere Angelegenheit i.S.v. § 18 RVG mit der Konsequenz, dass die Tätigkeit keine gesonderten Gebühren auslöst. Sie ist mit der Verfahrensgebühr und gegebenenfalls mit der Termins- und Einigungsgebühr abgegolten.

Forderung der Anwaltschaft
Der Forderungskatalog der Anwaltschaft hat diese Tatsache nicht infrage gestellt.

Obwohl die Streitverkündung keine gesonderten Gebühren auslöst, kann sie aber zur Erhöhung des Gegenstandswertes führen, wenn Ziel der Streitverkündung die Regelung eines weiteren, eigenen Gegenstandes ist (z.B. Regressansprüche zwischen Streitverkünder und Streitverkündetem).

Forderung der Anwaltschaft war daher die Einführung einer Streitwertregelung für die Fälle der Streitverkündung als § 31c RVG n.F.

„§  31c Gegenstand bei Streitverkündung

(1)  Der Gegenstandswert einer Streitverkündung richtet sich nach dem Interesse des Auftraggebers.

(2)  Vertritt der Anwalt auch die Partei, werden die Werte von Hauptsache und Streitverkündung zusammengerechnet. Betreffen Hauptsache und Streitverkündung denselben Gegenstand, ist nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend.“

Stellungnahme:

Der Referentenentwurf berücksichtigt diesen Vorschlag entgegen der Ankündigung im Eckpunktepapier nicht.

[…]

Zusätzlich zur Klarstellung in § 19 Abs. 1b RVG-E ist daher weiterhin die Einführung einer Streitwertregelung gemäß Ziffer 2.3.1 des gemeinsamen Forderungskatalogs von BRAK und DAV erforderlich.

 

III.    Übergangsvorschrift § 60 RVG-E

Die Neufassung der Übergangsvorschrift in § 60 RVG-E ist nicht akzeptabel.

Der beabsichtigte § 60 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 RVG-E hat insbesondere Relevanz für die Tätigkeit als Pflichtverteidigerin und Pflichtverteidiger, weil in diesen Fällen kein Auftrag erforderlich, sondern allein die Bestellung durch das Gericht maßgeblich ist. Mit der Neufassung wird der Grundsatz aufgehoben, wonach die Rechtsanwältin/der Rechtsanwalt nach neuem Recht zu vergüten ist, wenn die Bestellung nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung erfolgt.

[…]

Dem Anspruch des Pflichtverteidigers auf eine angemessene Vergütung wird es nicht gerecht, wenn er sich – trotz eines möglicherweise langwierigen Verfahrens nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung – dennoch auf die vor der Gesetzesänderung maßgeblichen Gebühren verweisen lassen muss, allein weil er bereits vor seiner Bestellung in Wahrnehmung seiner Pflicht zur Sicherstellung des rechtsstaatlichen Anspruchs des Angeklagten tätig geworden ist. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass bei einer Pflichtverteidigung die Arbeitskraft des Rechtsanwalts häufig für längere Zeit ausschließlich oder fast ausschließlich dafür in Anspruch genommen wird. Dadurch gewinnt die Höhe des Entgelts für den Pflichtverteidiger besondere existenzielle Bedeutung (BVerfG, Beschluss vom 20. März 2007 – 2 BvR 51/07 –,juris). Die beabsichtigte Neuregelung ist daher inakzeptabel.

Das gleiche gilt für die vorgeschlagene Regelung des § 60 Abs. 1 Satz 3 RVG-E. Nach bisheriger Gesetzeslage ist der Rechtsanwalt auch dann nach neuem Recht zu vergüten, wenn er bereits vor diesem Zeitpunkt als Wahlverteidiger tätig war. Denn das Mandat als Wahlverteidiger endet mit der Bestellung zum Pflichtverteidiger. Es gibt keinen ersichtlichen Grund dafür, insbesondere unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze, dass eine nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung erfolgte Beiordnung zur Pflichtverteidigerin oder zum Pflichtverteidiger wegen der vorherigen Wahlverteidigung nach früherem Recht vergütet werden soll.

[…]

IV.    Dokumentenpauschale für Einscannen von Papierakten (Ziffer 3.2.8 a).

Die weitere Ablehnung einer klarstellenden Ergänzung in Nr. 7000 VV RVG, dass auch für das Einscannen von Papierakten die Dokumentenpauschale anfällt, ist inakzeptabel und in keiner Weise nachvollziehbar.

[…]

Hierdurch wird die anwaltliche Berufsausübung unzulässig beeinträchtigt: Gerade bei umfangreichen Strafverfahren, bei denen (noch) nicht die Akten in elektronischer Form vom Gericht zur Verfügung gestellt werden, ist das Anfertigen von Scans unerlässlich. Insoweit besteht für die Verteidigung die Wahl, entweder die Akte vollständig zu kopieren oder vollständig zu scannen. Ersteres wird (ggf. mit Abzügen bei der Anzahl der gefertigten Kopien) erstattet, letzteres nicht. Schon aus umweltpolitischen Gründen ist dieses Ergebnis untragbar, da das Fertigen von Scans aus Nachhaltigkeitsgründen eindeutig zu unterstützen ist.

Aber auch aus berufspolitischen Gründen ist diese Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt. In der Stellungnahme der RAK Berlin aus dem Jahr 2015 ist ausführlich dargestellt, dass das Anfertigen von Scans nicht zu einer (erheblichen) Kostenreduzierung bei den Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten führt.

[…]

Dem Gesetzgeber ist hier die berufliche Realität zu verdeutlichen: Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger sehen sich vermehrt Verfahren gegenüber, in denen die Ermittlungsakten nicht mehr aus ein bis zwei Bänden bestehen, sondern aus einer schier unüberschaubaren Flut von Papier. Diese ist für die Verteidigung allein dadurch zu bewältigen, dass die gesamten Akten mit einem erheblichen Kosten- und Zeitaufwand gescannt werden müssen. Da das Scannen der Akten die Wahrnehmung des Rechtes auf Akteneinsicht darstellt und insoweit unerlässlich ist, hat die Verteidigung einen Anspruch auf Erstattung dieses Aufwandes im Rahmen der Auslagenerstattung.

[…]

Völlig zu Recht war eine klarstellende Ergänzung von Nr. 7000 VV RVG mit gleicher Begründung daher auch Gegenstand des Gemeinsamen Forderungskataloges zur Anpassung des RVG von DAV und BRAK aus März 2018.

Hier sollte von der Anwaltschaft keinerlei Kompromissbereitschaft gezeigt und stattdessen nachdrücklich auf eine Änderung von Nr. 7000 VV RVG gedrängt werden. Es ist auch nicht erkennbar, weshalb sich das BMJV gegen eine interessengerechte Angleichung von Nr. 7000 VV RVG, die nichts anderes als die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes darstellt, derart wehrt, da in absehbarer Zeit ohnehin die elektronische Akte eingeführt und die Frage der Erstattungsfähigkeit von Scans sich erübrigen wird.

Dem Einwand der Länder, dass durch die Erstattung der Scankosten unverhältnismäßig hohe Ausgaben entstehen, kann mühelos entgegengehalten werden, dass die Gerichte nicht gehindert sind, in Umfangsverfahren Aktenscans selbst zu fertigen und den Verteidigerinnen und Verteidigern zur Verfügung zu stellen.

[…] “

Zur vollständigen Stellungnahme des Gesamtvorstandes vom 12.08.2020 zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Justizkosten- und des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 – KostRÄG 2021)

Zur gemeinsamen Stellungnahme von BRAK und DAV zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Justizkosten- und des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 – KostRÄG 2021)

Kammerton 08/09-2020