Rechtsanwalt und Mediator Dr. Arnim Rosenbach, Initiator der lege artis Academy, antwortet

Rechtsanwalt Dr. Arnim Rosenbach

Dr. Arnim Rosenbach ist Rechtsanwalt und Mediator in München. Sein Schwerpunkt ist die zivilrechtliche Lösung komplexer Wirtschaftsfälle. RA Dr. Rosenbach ist Initiator und 1. Vorsitzender des lege artis Academy e.V. – einer zum 70. Jahrestag des Grundgesetzes gegründeten Initiative zur Verstärkung der Methodenkompetenz im Jurastudium. Er unterrichtet als Lehrbeauftragter an der LMU München und der Humboldt-Universität Berlin.

 

Warum sind Sie Rechtsanwalt geworden?

Aus dem Bedürfnis, mit dem Recht für die Menschen und ihre Anliegen tätig zu sein. Dafür habe ich damals sogar die Möglichkeit einer universitären Laufbahn aufgegeben.

 

Ihre Vorbilder in der Anwaltschaft?

Zunächst der amerikanische Rechtsanwalt Clarence Darrow. Sein leidenschaftliches Einstehen für seine Mandanten, seine Gradlinigkeit und sein Sinn für die existenzielle Rolle des Rechts in einer Gesellschaft sind für mich leitend.  Auch den Düsseldorfer Rechtsanwalt Max Kreifels, dessen große Zeit die 1970er waren, bewundere ich dafür, wie er komplexe, wirtschaftlich hochbedeutende Sachverhalte mit strategischer Weitsicht und viel Fingerspitzengefühl gelöst hat.

 

Welche drei Eigenschaften sollte eine gute Rechtsanwältin oder ein guter Rechtsanwalt haben?

Meines Erachtens sind es mindestens 5. Bei komplexen Problemstellungen braucht es für gute Lösungen aus einer Hand insbesondere: Lösungsorientierung, kommunikative Stärke, wirtschaftliches Verständnis, Kreativität und rechtliche Exzellenz.

 

Wem empfehlen Sie, den Anwaltsberuf zu ergreifen?

All denjenigen, die bereit und in der Lage sind, eine Fülle unterschiedlicher Anforderungen auszuhalten bzw. als bereichernd zu erleben. Denn Anwaltschaft ist ja viel mehr als nur gute Rechtsanwendung; insbesondere das allzu Menschliche will ebenfalls bewältigt werden.

 

Welche berufsrechtlichen Vorschriften für die Anwaltschaft halten Sie für notwendig oder aber für überflüssig?

Notwendig ist in meinen Augen weiterhin die Beschränkung der Vertretungsbefugnis am Bundesgerichtshof in Zivilsachen. Die damit verbundene Filterfunktion halte ich für unentbehrlich, die Leistungsfähigkeit des BGH zu erhalten. Komplett aus der Zeit gefallen ist mittlerweile die Bestimmung des § 10 RVG, wonach anwaltliche Honorare erst durch das Original der Kostennote fällig werden. Durch das vom Bundestag bereits beschlossene Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz, welches aber erst noch den Bundesrat passieren muss, ist das hoffentlich bald Geschichte.

 

Worum geht es Ihnen bei Ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit in nächster Zeit?

Die Dynamik zu nutzen, die durch die Initiative iurreform und das sog. Hamburger Protokoll vom 1. Dezember 2023 entstanden ist. Denn endlich wird wieder aktiv gefordert, die Methodenkompetenz im juristischen Studium zu verstärken. Frühere Ansätze, beispielsweise das Ladenburger Manifest von 1997, haben jedenfalls nicht in der Breite zu nennenswerten Veränderungen geführt. PräsBVerfG   Stephan Harbarth, der früher übrigens als Rechtsanwalt tätig war, hat in seiner Festansprache zum 100. Juristen-Fakultätentag im Herbst 2021 die Beherrschung der juristischen Methode als absolut zentral für den Rechtsstaat bezeichnet – und verstärkte Aktivitäten angemahnt. Darauf versuche ich einzugehen. Schon am 23. Mai 2019 habe ich zum 70. Jahrestag des Grundgesetzes aus meinen Lehrerfahrungen heraus die gemeinnützige lege artis Academy e.V. gegründet. Sie ist mit dem „lege artis Seminar“ Träger eines praktisch bewährten und wissenschaftlich fundierten didaktischen Ansatzes, die Methodenkompetenz im juristischen Studium zu stärken. Dieses Konzept nach Kräften in die universitäre Ausbildung einzubringen, dafür weitere Unterstützer zu gewinnen und auf diese Weise den demokratischen Rechtsstaat im Sinne der Böckenförde- Doktrin mitzutragen, steht im Mittelpunkt meiner ehrenamtlichen Aktivität.

 

Was war Ihr Beweggrund für dieses Ehrenamt?

Ursprünglich war es die bedrückende Unzufriedenheit darüber, eine eigentlich schlichte Frage nicht zusammenfassend beantwortet zu finden: Was sind die Kriterien einer gelungenen Falllösung ? Heute bedeutet die lege artis Didaktik die in langen Jahren gereifte Antwort. Möglichst viele Menschen daran teilhaben zu lassen, insbesondere die überforderten Studierenden des Rechts, motiviert mich jeden Tag.

 

Wieviel Zeit benötigen Sie für diese Aufgabe?

Im Durchschnitt sind das ungefähr 2/3 eines Arbeitstags pro Woche; die Lehrveranstaltungen eingeschlossen. Wenn mir in Zukunft hoffentlich mehr Ressourcen zur Verfügung stehen, werde ich das gerne noch ausbauen.

 

Wofür fehlt der Anwaltschaft die Zeit?

Oft fehlt die Zeit dafür, bedeutenden Themen, insbesondere Rechtsfragen, wirklich auf den Grund zu gehen. Die Ausübung von Ehrenämtern ist strukturell ein Luxus.

 

Nutzen Sie soziale Netzwerke?

Ja, aber nur eingeschränkt. Denn es ist außerordentlich aufwendig, diese Kanäle einigermaßen professionell zu nutzen. Ohnehin ist die Anwaltschaft mit einer Vielzahl von Themen befasst – z.B. Geldwäscheprävention -, die bewältigt werden wollen und kostbare Mandatsarbeitszeit konsumieren.  Ich achte genau darauf, Aufwand und Nutzen sozialer Netzwerke gut auszutarieren.

 

Was macht Sie wütend?

Das immer stärker abnehmende Vertrauen der rechtssetzenden Institutionen, namentlich der EU-Kommission, in die Autonomie und Eigenverantwortung der Menschen. „Ewige Widerrufsrechte“ bei Darlehensverträgen höhlen den Grundsatz der Vertragstreue unverhältnismäßig aus. Viele Regulierungen, wie sie jetzt beispielsweise für die Prozessfinanzierung bevorstehen, sind von verfehltem Misstrauen gegenüber den Kräften des Marktes getragen und beruhen auf dem Irrglauben, dass Regulierungen das Leben stets verbessern.

 

Welchem Thema würden Sie ein Buch widmen und mit welchem Titel versehen?

Es gibt bereits ein konkretes Buchprojekt. Die Gliederung ist fertig und gedanklich stehen die Inhalte. Gegenstand des Buches ist die Vermittlung der juristischen Methodenkompetenz auf der Grundlage der lege artis Didaktik. Der geplante Titel lautet: „lege artis – Handwerk und Kunst juristischer Falllösung “.

 

Welche Veränderungen im Berufsalltag schätzen Sie besonders?

Die Unterstützung durch elektronische Datenverarbeitung und Digitalisierung; ohne all diese Technik könnte ich meinen Beruf nicht ausüben. Nur ein Beispiel: Online Mediationen über Zoom, wenn sich Beteiligte in verschiedenen Ländern aufhalten. Dann schätze ich auch den deutlich lockeren Umgang mit Mandanten sowie vielen KollegInnen.

 

Mit wem würden Sie gerne einen Tag die Rolle tauschen?

Da muss ich erst einmal überlegen – was mir anzeigt, dass ich mich mit meiner eigenen Rolle offenbar wohlfühle. Juristisch fände ich es aber interessant, in die Robe eines Richters am europäischen Gerichtshof zu schlüpfen – um europäische Rechtsanwendung und deren Methode aus erster Hand zu erleben. Und privat: Einen Tag Kapitän auf der Sea Cloud oder einem anderen schönen Windjammer zu sein, fände ich großartig.

 

Haben Männer es in ihrem Beruf leichter als Frauen?

Tendenziell ja, die Antwort ist aber sehr vom konkreten Tätigkeitsfeld und den beteiligten Personen abhängig. Wenn es darum geht, Durchsetzungsstärke zu zeigen, haben es Männer meines Erachtens tendenziell leichter. Der umgekehrte Klassiker ist aber die uneingeschränkte Akzeptanz von Rechtsanwältinnen im Familienrecht sowie als MediatorInnen.  Für die konkrete Situation kommt es letztlich immer auf die involvierten Persönlichkeiten an.

 

Welche Stärken und welche Schwächen haben Sie?

Ich tue mein Bestes, die oben erwähnten Eigenschaften eines guten Rechtsanwalts zu verwirklichen. Andererseits: Zur kommunikativen Stärke gehört auch Einfühlungsvermögen. In der Vergangenheit habe ich aus zu großem Verständnis für Mandanten eigene Belange weniger verwirklicht, als es in der Nachschau angemessen gewesen wäre.

 

Ihr größter Flop?

Geglaubt zu haben, dass Dinge allein deswegen stattfinden, weil sie nachweislich für viele Personen einen bedeutenden Nutzen stiften.

 

Was lesen / hören / schauen Sie morgens als erstes?

Von den Medien her: FAZ und Spiegel online, dann ein Blick auf WhatsApp und die E-Mails. Persönlich: In die Augen meiner Frau und meiner Kinder.

 

Ihr liebstes Hobby?

Geige spielen, insbesondere im Orchester. Es ist ein großartiges Erlebnis, Teil eines großen musikalischen Ganzen zu sein und darin aufzugehen.

 

Welche berufliche Entscheidung würden Sie rückblickend anders treffen?

Keine. Denn auch berufliche Zeiten, die scheinbar nicht ideal waren, haben zu meiner beruflichen Gegenwart beigetragen, in der ich mich wirklich wiederfinde.

 

Welcher Rat hat Ihnen auf Ihrem Berufsweg besonders geholfen?

Der Rat, in die Tragkraft der Selbstständigkeit zu vertrauen. Ein Bekannter von mir hat vor vielen Jahren die Selbstständigkeit mit dem Fliegen verglichen. Wenn man es einmal raus hat, trägt es – und ist im Grunde nicht so schwierig. Das hat sich bestätigt. Denn immer geht es darum, für Menschen einen spürbaren Nutzen zu stiften. Das Folgemandat und die Weiterempfehlung sind dann nicht weit weg.

Kammerton 07/08-2024