Von 19% auf 16%: Über die Absenkung des allgemeinen USt.-Satzes

Von Rechtsanwältin Anja Schüller, stellv. Vorsitzende des Fachanwaltsausschusses Steuerrecht

 

I. Vorbemerkungen

1. Zur Stärkung der Binnennachfrage hat der Koalitionsausschuss am 3.6.2020 im Eckpunktepapier zum Corona-Konjunkturpaket eine Absenkung des Umsatzsteuersatzes von 19% auf 16% beschlossen. Die Steuersatzänderung ist auf den Zeitraum 1.7.2020-31.12.2020 befristet.

2. Das entsprechende Änderungsgesetz mit dem Titel „Zweites Corona-Steuerhilfegesetz“ wurde mit Beschluss des Bundeskabinetts vom 12.6.2020 auf den Weg gebracht. Vorbehaltlich der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat treten die Umsatzsteuersatzänderungen am 1.7.2020 in Kraft (BT-Drs. 19/20058).

3. Seit dem 23.6.2020 liegt der zweite Entwurf eines begleitenden BMF-Schreibens mit Bearbeitungsstand 23.6.2020 vor (BMF Schreiben DD.MM.YYYY, III C 2 – S 7030/20/10009 : 004, Dok 2020/0610691, https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Steuerarten/Umsatzsteuer/2020-06-23-befristete-Senkung-umsatzsteuer-juli-2020-erste-aktualisierung.pdf?__blob=publicationFile&v=2, nachfolgend „BMF-Schreiben-E“).

4. Die nachfolgenden Ausführungen basieren auf dem BMF-Schreiben-E und sind an das finalisierte BMF-Schreiben zur Absenkung der Umsatzsteuersätze ggf. noch anzupassen.


II. Anzuwendender Steuersatz bestimmt sich nach dem Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes

1. Nach der Übergangsvorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 1 UStG sind Änderungen des Umsatzsteuergesetzes auf Umsätze anzuwenden, die ab dem Inkrafttreten der maßgeblichen Änderungsvorschrift ausgeführt werden. Der anzuwendende Steuersatz von 16 % bzw. 19 % richtet sich demnach nach dem Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes. Dies gilt auch bei der Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten, § 27 Abs. 1 Satz 2 UStG (BMF-Schreiben-E Rz. 3 und 6). Der Zeitpunkt der Vereinnahmung, das Datum der Rechnungsstellung und/oder der Zeitpunkt der Mandats- bzw. Vergütungsvereinbarung ist demnach für die Frage des anzuwendenden Steuersatzes irrelevant (Abschn. 12.1 Abs. 3 UStAE, BMF-Schreiben-E Rz. 4). Die Steuerberechnung ist in diesen Fällen erst in dem Voranmeldezeitraum zu berichtigen, in dem die Leistung ausgeführt wird, § 27 Abs. 1 Satz 3 UStG (BMF-Schreiben-E Rz. 3).

2. Sonstige Leistungen sind grundsätzlich im Zeitpunkt ihrer Vollendung ausgeführt (Abschn. 13.1 Abs. 3 Satz 1 UStAE; NIESKENS in Rau/Dürrwächter, UStG, § 13 Rz. 120 (Apr. 2020)).

3. Werden statt einer Gesamtleistung Teilleistungen (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 2 und 3 UStG) erbracht, richtet sich der anzuwendende Steuersatz nicht nach dem Zeitpunkt der Ausführung/Vollendung der Gesamtleistung, sondern danach, wann die einzelnen Teilleistungen ausgeführt/vollendet werden (vgl. BMF-Schreiben-E Rz. 2). Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG liegen Teilleistungen vor, wenn für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart bzw. geschuldet wird (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG, Abschn. 13.4 Satz 1 UStAE).

4. Die Frage der Teilbarkeit einer Rechtsberatungsleistung kann wegen unterschiedlicher Ausführungszeitpunkte Einfluss auf den anzuwenden Steuersatz haben. Ob eine Rechtsberatungsleistung teilbar ist, ergibt sich aus der im jeweiligen Mandat getroffenen Vereinbarung bzw. dem Vergütungsmodell.

 

III. Zeithonorar

1. Bei Zeitvergütungsvereinbarungen ergibt sich die Teilbarkeit der Leistung aus dem vereinbarten Zeitintervall.

2. Vor dem 1.7.2020 und nach dem 31.12.2020 angefallener Zeitaufwand unterliegt dem USt-Satz iHv. 19 %.

3. Die in dem Zeitraum 1.7.2020 bis 31.12.2020 anfallenden Zeiten unterliegen dem USt-Satz iHv. 16 %.

 

IV. Pauschalhonorar

1. Grundsätzlich ist bei einem Pauschalhonorar von einer Gesamtleistung auszugehen. Für den Steuersatz ist dann der Zeitpunkt der Verfahrensbeendigung/Fertigstellung der anwaltlichen Arbeit maßgebend, wobei Nebenleistungen (zB Reisekosten, Auslagen) das Schicksal der Hauptleistungen teilen. Der Zeitpunkt der Verfahrensbeendigung fällt regelmäßig mit dem Abschluss des Rechtszugs (instanzabschließende Gerichtsentscheidung, im Verwaltungs oder Steuerverfahrenverfahren auch Abhilfe- oder Einspruchsentscheidung,) zusammen, für den das Pauschalhonorar jeweils vereinbart wurde.

2. Anders ist es, wenn in der Pauschalhonorarvereinbarung eine Aufteilung des Honorars auf gesondert abrechenbare Teilleistungen vereinbart wurde und diese Teilleistungen wirtschaftlich von den zeitlich nachfolgenden Teilleistungen abgegrenzt werden können. In diesem Fall richtet sich der anzuwendende USt-Satz nach dem Zeitpunkt der Ausführung/Vollendung der Teilleistung – und nicht etwa nach der Fälligkeit des Teilhonorars

 Beispiele: jeweils getrenntes Honorar für Bp, Einspruchs- und Klageverfahren, für Mieterhöhungsverlangen und Zustimmungsklage, gesondertes Honorar für mündliche Verhandlung

3. Wird die Gesamtleistung oder ein gesondert abrechenbarer Teil in der Zeit vom 1.7.2020-31.12.2020 beendet, findet der USt-Satz iHv. 16 % Anwendung. Eine vor und nach diesem Zeitraum beendete Leistung unterliegt dem USt-Satz iHv. 19%.

 

V. RVG

1. Bei einer Gebührenabrechnung nach dem RVG richtet sich der anzuwendende Steuersatz für die nach VV 7008 RVG berechenbare Umsatzsteuer nach dem Abschluss der Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne. Dieser Zeitpunkt wird regelmäßig mit dem Zeitpunkt der Fälligkeit iSd. RVG übereinstimmen, denn nach § 8 Abs. 1 Satz 1 RVG wird der Gebührenanspruch fällig, wenn der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendet ist.

2. Auch die beiden ersten in § 8 Abs. 1 Satz 2 RVG genannten Fälligkeitstatbestände für die Vertretung im gerichtliche Verfahren nach § 8 Abs. 1 Satz 2 RVG (gerichtliche Kosten(grund-)entscheidung und Ende des Rechtszugs) entsprechen dem Abschluss der Angelegenheit, so dass der Zeitpunkt der Urteilsverkündung, des Vergleichsabschlusses, der Klagerücknahme oder der beiderseitigen Erledigungserklärung (§ 91a ZPO) für den anwendbaren Umsatzsteuersatz maßgeblich sind. Anders ist dies jedoch bei der Verfahrensruhe von mehr als drei Monaten (§ 8 Abs. 1 Satz 2 letzter Fall RVG): Auch wenn die Vergütung fällig wird, wenn das Verfahren länger als drei Monate ruht, führt der reine Zeitablauf nicht zu einem für die Steuerentstehung maßgeblichen Abschluss der Angelegenheit.

3. Bei Anknüpfung der Steuerentstehung an den Abschluss der Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne liegt zudem keine Teilleistung vor, wenn innerhalb der Erledigung eines Auftrags eine Gebühr (zB. Terminsgebühr) anfällt, ohne dass der Auftrag oder Rechtszug gleichzeitig beendet wird (siehe hierzu auch NIESKENS in Rau/Dürrwächter, UStG, § 13 ABC der Teilleistungen „Rechtsanwalt“ (Mai 2020); MÜLLER-RABE in Gerold/Schmidt, RVG, VV 7008 Rz. 35, 38).

4. Die Steuerentstehung verschiebt sich nicht auf den Zeitpunkt einer Streitwert- und Kostenfestsetzung oder durch sonstige übliche Abwicklungsmaßnahmen, zB Übersendung von Schriftstücken, Mitwirkung bei Berichtigungs- oder Streitwertänderungsverfahren.

5. Vor Abschluss der Angelegenheit ggf. bereits angefallene und nach § 9 RVG als Vorschuss abgerechnete Gebührenpositionen sind mit dem bei Abschluss der Angelegenheit geltenden Umsatzsteuersatz zu versteuern und machen ggf. eine Korrektur iHv. 3% erforderlich. Die USt-Korrektur ist für den Voranmeldezeitraum durchzuführen, in dem die Leistung ausgeführt/vollendet wird, § 27 Abs. 1 Satz 3 UStG (BMF-Schreiben-E Rz. 3 und 8).

 

VI. Anzahlungen/Vorschüsse

1. Ausführung der (Teil-)Leistung vor dem 1.7.2020

Ein für eine vor dem 1.7.2020 ausgeführte (Teil-)Leistung berechneter Vorschuss/Abschlag ist mit 19 % zu berechnen. Dies gilt auch dann, wenn die Vorschussrechnung erst nach dem 1.7.2020 geschrieben wird und/oder die Vereinnahmung erst nach dem 1.7.2020 erfolgt (BMF-Schreiben-E Rz. 6).

2. Ausführung der (Teil-)Leistung im Zeitraum 1.7.2020-31.12.2020

Wurden vor Inkrafttreten der USt-Absenkung für in dem Zeitraum 1.7.2020-31.12.2020 ausgeführte und damit dem USt-Satz iHv. 16 % unterliegende Leistung Vorschüsse noch mit 19 % USt-Ausweis gestellt und vereinnahmt, so ist eine USt-Korrektur iHv. 3% für den Voranmeldezeitraum durchzuführen, in dem die (Teil)Leistung ausgeführt/vollendet wird, § 27 Abs. 1 Satz 3 UStG (BMF-Schreiben, Rz. 8, 3).

3. Ausführung der (Teil-)Leistung nach dem 31.12.2020

Ein Vorschuss für eine nach dem 31.12.2020 ausgeführte (Teil-)Leistung soll nach dem BMF-Schreiben-E mit USt-Ausweis iHv. 16 % abzurechnen sein, wenn das Entgelt noch bis zum 31.12.2020 vereinnahmt wird (BMF-Schreiben-E Rz. 46). Die weitere Umsatzsteuer iHv. 3 % ist in dem Voranmeldezeitraum anzumelden und zu entrichten, in dem die Leistung oder Teilleistung erbracht wird. Gegenüber dem Leistungsempfänger kann die Nachberechnung mit einer Restrechnung erfolgen (BMF-Schreiben-E Rz. 46).

Ein Vorschuss für eine nach dem 31.12.2020 ausgeführte (Teil-)Leistung ist mit USt-Ausweis iHv. 19 % abzurechnen, wenn das Entgelt nach dem 31.12.2020 vereinnahmt wird (BMF-Schreiben-E Rz. 47).


VII. Endabrechnung

Wird mit einer Endabrechnung über nach § 20 UStG (Istversteuerung) besteuerte vereinnahmte Anzahlungen abgerechnet, dann sind gemäß § 14 Abs. 5 Satz 2 UStG die darin die vereinnahmten Teilentgelte und die darauf entfallenden USt-Beträge abzusetzen (BMF-Schreiben-E Rz. 12). Die verschiedenen in 2020 geltenden USt-Sätze sind dabei zu berücksichtigen (BMF-Schreiben-E Rz. 12).

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Stand: 23.6.2020

 

 

Kammerton 06/07-2020