Ist das Kostenrechts­modernisierungs­vorhaben der Anwälte gescheitert?

RAin Kati Kunze

Die Rechtsanwaltsgebühren sind zuletzt mit Inkrafttreten des 2. KostRMoG am 01.08.2013 angehoben worden. Mitte April 2018 ist der gemeinsame Forderungskatalog der Bundesrechtsanwaltskammer und des Deutschen Anwaltvereins zur Anpassung des RVG (RVG-Forderungskatalog BRAK/DAV, März 2018) an die damalige Bundesjustizministerin Frau Dr. Katarina Barley übergeben worden (Presseerklärung von DAV und BRAK vom 16.04.2018).

Im Herbst 2018 wurde dieser Forderungskatalog vom Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) an die Landesjustizministerien ohne Fristsetzung zur Stellungnahme weitergeleitet. Der Vertreter des BMJV bestätigte auf der 76. Tagung der Gebührenreferenten der Rechtsanwaltskammern am 10.11.2018, dass mit den Gesetzgebungsarbeiten noch nicht begonnen worden sei (Kammerton, Ausgabe März 2019). Der Antrag der FDP-Fraktion zur Erhöhung der Vergütung von Rechtsanwälten vom 12.03.2019 (Antrag vom 12.03.2019) ist vom Bundestag abgelehnt worden (Mitteilung des Deutschen Bundestages über die Sitzung am 09.05.2019).

Fragen an die Vorsitzende der Gebührenabteilung des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer Berlin, Rechtsanwältin Kati Kunze:

Kammerton: Welche Änderungen des RVG sieht der Forderungskatalog von BRAK und DAV im Wesentlichen vor? Geht es allein um die Anhebung der Gebühren?

RAin Kunze: Die lineare Erhöhung der Anwaltsgebühren ist sicherlich einer der Kernpunkte des Forderungskataloges. Ziel ist eine angemessene Erhöhung durch Anpassung der Gebührentabellen sowie der Rahmengebühren. Die Erhöhung soll sich an der jährlichen Entwicklung der Tariflöhne von durchschnittlich 2,6 % pro Jahr orientieren, was einem Gesamtanpassungsvolumen von gut 13 % entspricht.

Außerdem soll erreicht werden, dass die Anpassung zukünftig in wesentlich kürzeren Zeitabständen erfolgt.

Der Forderungskatalog beschränkt sich jedoch nicht auf die Anhebung der Gebühren.  Er enthält außerdem Vorschläge zu strukturellen Verbesserungen des RVG. Diese betreffen beispielsweise das Honorar bei der Streitverkündung oder die Vergütung des Hauptbevollmächtigten, wenn es zu einer Terminvertretung kommt, auch die Zusatzgebühr für besonders umfangreiche Beweisaufnahmen in Nr. 1010 VV RVG soll optimiert werden.

Warum sieht das RVG keine regelmäßige lineare Erhöhung der Rechtsanwaltsgebühren vor?

Da der Gesetzgeber bisher auf die Verankerung einer regelmäßigen Erhöhung der Gebühren verzichtet hat, muss über eine Anpassung der Anwaltsgebühren jeweils in einem neuen Gesetzgebungsverfahren mit den üblichen Beteiligungen entschieden werden. Gerade den Bundesländern, aus deren Haushalt die Mittel für Prozesskostenhilfe und Verfahrenskostenhilfe kommen, ist dieses Mitspracherecht natürlich sehr wichtig. Anwältinnen und Anwälte haben dadurch jedoch keinerlei Gewähr, dass den stetig steigenden Kostenbelastungen auch eine regelmäßige und angemessene Erhöhung der gesetzlichen Gebühren gegenübersteht. Das ist aber Voraussetzung, wenn die Bearbeitung von Mandaten zu den gesetzlichen Gebühren für die Kolleginnen und Kollegen wirtschaftlich bleiben soll. Schließlich darf dabei auch nicht vergessen werden, dass damit vor allem auch Verbrauchern, die nicht über die finanziellen Mittel für den Abschluss individueller Vergütungsvereinbarungen verfügen oder auf Prozesskostenhilfe angewiesen sind, der Zugang zum Recht ermöglicht wird. Aus diesem Grund wird mit dem Forderungskatalog eine Anpassung in regelmäßigen Abständen angeregt.

Immerhin sehen alle Fraktionen im Bundestag eine Notwendigkeit der Anpassung der Rechtsanwaltsgebühren (Das Parlament vom 13.05.2019). Heißt es jetzt Abwarten oder welche Möglichkeiten hat die Anwaltschaft, ihre Forderungen möglichst bald durchzusetzen?

Zur Zeit ist es schwierig vorherzusagen, ob und wann das BMJV konkrete Schritte zur Umsetzung einer Kostenrechtsmodernisierung in Angriff nehmen und einen Referentenentwurf vorlegen wird. Entscheidend wird zunächst sein, wie sich die Länder positionieren. Diese haben die Auswirkungen auf ihren jeweiligen Haushalt im Blick, insbesondere das Verhältnis zwischen den Ausgaben für Anwaltsgebühren, Honorare und Entschädigungen nach dem JVEG und den Gebühreneinnahmen der Gerichte und Staatsanwaltschaften. Daher kann auch die Frage im Raum stehen, ob mit einer Erhöhung der Anwaltsgebühren eine Erhöhung der Gerichtskosten einhergehen soll, was die Vertreter der Anwaltschaft ablehnen.

Im Zuge der Diskussionen um den Antrag der FDP-Fraktion im Mai hatte die Bundesregierung angekündigt, zunächst die geplante Positionierung der Länder auf der Justizministerkonferenz Anfang Juni abzuwarten, um anschließend Eckpunkte für eine Anpassung der Rechtsanwaltsgebühren festzulegen und zeitnah ein Regelungskonzept zu erarbeiten.

Endgültig positioniert hat sich die Justizministerkonferenz am 5./6. Juni 2019 dann zwar nicht, aber beschlossen, Gespräche mit der Anwaltschaft zu führen und damit die Länder Hamburg, Hessen und Schleswig-Holstein beauftragt (Beschluss der Justizministerkonferenz). Damit kommt man im Ergebnis einem Vorschlag von BRAK und DAV nach, deren Präsidenten sich bereits im Februar in einem gemeinsamen Schreiben an die Landesjustizminister/Innen gewandt hatten, um sie für das Anliegen der Anwaltschaft zu sensibilisieren und um Gespräche baten.

Damit ein mögliches Gesetzgebungsverfahren endlich in Gang kommen kann, ist es daher wichtig, dass diese Gespräche auch zeitnah stattfinden und möglichst ein Konsens erzielt wird.

Halten Sie das Kostenrechtsmodernisierungsvorhaben für gescheitert oder besteht noch Hoffnung, dass die Forderungen der Anwaltschaft in naher Zukunft durchgesetzt werden könnten?

Dass die Entwicklungen recht schleppend vorangehen und derzeit im Grunde völlig ungewiss ist, ob und wann es einen Referentenentwurf des BMJV für eine Kostenrechtsmodernisierung geben wird, ist leider nicht von der Hand zu weisen. Ich würde zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht davon sprechen wollen, dass das Vorhaben gescheitert ist. Auch bis zur 2. Kostenrechtsmodernisierung im Jahr 2013 war es ein langer Weg. Wichtig ist, dass nun zunächst die Gespräche mit den Ländern weiterhin forciert werden.

 

Kammerton 06/07-2019