Das Wachstumschancengesetz tritt am 01.01.2025 in Kraft. Nach mehreren Änderungen im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens hat der Bundesrat dem Gesetz in der vom Vermittlungsausschuss gefundenen Fassung am 22.03.2024 zugestimmt. Teil der Neuregelungen ist die Einführung der verpflichtenden elektronischen Rechnung in Deutschland.
Fragen an Vorstandsmitglied Sabine Krause über die Auswirkungen auf die Anwaltschaft.
Frau Krause, das Wachstumschancengesetz ist verabschiedet worden und wird am 01.01.2025 in Kraft treten. In welcher Form muss die Anwaltschaft dann ihre Rechnungen erstellen?
Ab Januar 2025 werden elektronische Rechnungen an unternehmerische Mandanten mit Sitz in Deutschland zum Standard. Es ist aber unter bestimmten Voraussetzungen und für eine Übergangszeit bis längstens 2028 weiterhin zulässig, Papier- und PDF-Rechnungen zu erstellen und zu versenden.
Was ist nach § 14 Abs.1 S.3 UStG n.F. unter einer elektronischen Rechnung zu verstehen?
Eine „elektronische Rechnung“ ist nach der neuen Definition in § 14 Abs. 1 Satz 3 UStG n.F. eine Rechnung, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird und eine elektronische Verarbeitung ermöglicht. Das strukturierte elektronische Format muss der europäischen CEN-Norm EN16931 gemäß der Richtlinie 2014/55/EU vom 16. April 2014 über die elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen entsprechen. Erlaubt sind auch alternative Datenformate, die zwischen Rechnungsaussteller und Rechnungsempfänger vereinbart werden können, soweit sie interoperabel mit der EN16931 bezogen auf die Rechnungspflichtbestandteile sind.
Diese Vorgaben werden durch die XRechnungen erfüllt, die im öffentlichen Sektor bereits seit 2020 etabliert sind. Das Bundesfinanzministerium hat in einem Schreiben ausgeführt, dass auch sog. hybride ZUGFeRD-Rechnungen als gesetzeskonform anerkannt werden. Diese beinhalten sowohl eine XML-Datei für die automatisierte Weiterverarbeitung als auch zusätzlich eine lesbare PDF-Ansicht der Rechnung. Die Vorgaben für die elektronische Rechnungslegung sind somit bewusst technologieoffen und hybride Formate wie ZUGFeRD werden helfen, uns den Übergang in die Digitalisierung der Rechnungsprozesse zu erleichtern.
Die Übertragungswege für die elektronischen Rechnungen ab 2025 sind nicht gesetzlich definiert, d.h. es reicht eine Übermittlung per E-Mail.
Unstrukturierte PDF-Formate, die aktuell noch als elektronische Rechnungen gelten, werden ab 2025 nicht mehr als elektronische Rechnungen anerkannt. Sie unterfallen dann den neuen Regelungen für sog. sonstige Rechnungen und sind ab 2028 nicht mehr zulässig, wenn eine gesetzliche eRechnungspflicht besteht.
In welchen Fällen sind 2025 noch Papierrechnungen und PDF-Rechnungen erlaubt?
Der postalische Versand von Papierrechnungen und der E-Mail-Versand von eingescannten PDF-Rechnungen darf bis Ende 2026 weiterhin erfolgen. Die gesetzliche Übergangsregelung sieht vor, dass es wie bisher auch für Papierrechnungen nicht der Zustimmung des Rechnungsempfängers bedarf. Für PDF-Rechnungen muss die rechnungsausstellende Kanzlei aber unverändert die Zustimmung des Rechnungsempfängers einholen. Kanzleien mit einem Vorjahresumsatz bis 800.000 EUR dürfen Papierrechnungen und PDF-Rechnungen (mit Zustimmung) sogar noch bis Ende 2027 ausstellen. Ab 2028 wird dann aber für alle Kanzleien die elektronische Rechnungslegung verpflichtend. Dann sind auch Papier- und PDF-Rechnungen nicht mehr zulässig.
Bestehen auch dann noch Ausnahmen von der Verpflichtung zur eRechnung?
Von der eRechnungspflicht sind auch über den 31.12.2027 hinaus Kleinbetragsrechnungen bis 250 EUR brutto und Rechnungen an Nichtunternehmer (B2C) ausgenommen. Die eRechnungspflicht gilt zudem generell nur im nationalen Bereich, d.h. nicht gegenüber Mandanten, die ihren Sitz außerhalb Deutschlands haben. In diesen Fällen bleiben Papierrechnungen der Standard, wobei PDF-Rechnungen und elektronische Rechnungen im neuen strukturierten Format wie bisher nur mit Zustimmung des Empfängers erteilt werden dürfen.
Worauf muss sich die Anwaltschaft ab 2025 im Hinblick auf den Empfang von Rechnungen einstellen?
Für den Versand der elektronischen Rechnung sieht der Gesetzgeber mehrjährige Übergangsfristen bis Ende 2027 vor, auf den Empfang von elektronischen Rechnungen müssen allerdings schon ab dem 01.01.2025 alle Kanzleien vorbereitet sein. Das betrifft alle strukturierten eRechnungsformate nach EN16931. Denn solche Rechnungen können von da an von allen Unternehmen versendet werden, ohne dass hierfür die Zustimmung des Rechnungsempfängers erforderlich sein wird. Hierin besteht wegen der kurzen Umsetzungsfrist wohl die größte Herausforderung für die Anwaltschaft.
Es sollte in der Kanzleiorganisation mindestens eine E-Mail-Adresse zum Empfang von eRechnungen vorgehalten werden. Empfehlenswert ist, rechtzeitig ein zentrales Rechnungseingangs-E-Mail-Postfach und das „Wunschformat“ an Lieferanten und Dienstleister zu kommunizieren. Die Visualisierung als PDF bzw. die elektronische Verarbeitung kann dann im Anschluss erfolgen. Es ist davon auszugehen, dass die gängigen Kanzleisoftwareanbieter bis Jahresende entsprechende IT-Tools zur Verfügung stellen, mit denen die eRechnungsformate umgewandelt und verarbeitet und auch erstellt werden können.
Wichtig ist noch, dass die eingehenden eRechnungen revisionssicher und elektronisch archiviert werden müssen.
Während des Gesetzgebungsverfahren hat es Kritik an der verpflichtenden Einführung der elektronischen Rechnung für die Anwaltschaft gegeben, weil
• die Angabe des Leistungsempfängers gegen die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht verstoße
• dies der in § 10 Abs.1 S.1 RVG-E geplanten Vereinfachung, durch die Rechnungen nur noch in Textform erstellt werden müssen, widerspreche und
• damit ein erheblicher Aufwand für die Anwaltschaft befürchtet wird.
Wurde dies vom Vermittlungsausschuss / im Gesetzgebungsverfahren berücksichtigt?
Die Angabe des Leistungsempfängers und konkrete Angaben zur Leistung gehören meines Erachtens bereits nach aktuell geltendem Recht zu den Pflichtinhalten einer Rechnung nach § 14 Abs. 4 UStG, in der über eine Beratung oder sonstige anwaltliche Dienstleistung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person abgerechnet wird. Dies wird sich durch Einführung der eRechnungspflicht ab 01.01.2025 nicht ändern. Nur dann, wenn die Rechnung des Rechtsanwalts oder der Rechtsanwältin diese gesetzlichen Mindestangaben enthält, ist der Rechnungsempfänger zum Vorsteuerabzug berechtigt. Die Anwaltschaft muss den durch die Rechnungspflichtinhalte nach § 14 Abs. 4 UStG bestehenden steuerrechtlichen Anforderungen und den durch die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht nach § 43a Abs. 2 BRAO bestehenden berufsrechtlichen Anforderungen schon heute gleichzeitig begegnen, indem sie diejenigen Angaben in die Rechnung aufnimmt, die für die Identifizierung der Leistung unbedingt notwendig sind, sich dabei aber weitestgehend auf generische Formulierungen und ein inhaltliches Minimum beschränken. Da die eRechnungen mit der geplanten Einführung eines elektronischen Mehrwertsteuermeldesystems („Digital Reporting“) voraussichtlich ab 2030 nicht nur zwischen Rechtsanwalt und Mandanten ausgetauscht werden, sondern dann auch den Finanzbehörden ein unmittelbarer Zugriff auf die Rechnungen ermöglicht werden soll, ist es empfehlenswert, vorsorglich bereits im Rahmen der Mandatsvereinbarung eine Einwilligung des Mandanten nach § 2 Abs. 4a BORA (Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht für die elektronische Rechnungslegung) einzuholen.
Nicht alle Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte verfügen über ein Zertifikat für eine qualifizierte elektronische Signatur. Ein Kritikpunkt während des Gesetzgebungsverfahrens war daher auch die Befürchtung, dass die eRechnung auch zukünftig zwingend mit einer qualifizierten elektronischen Signatur gesichert werden müsste und zwar auch dann, wenn das Schriftformerfordernis des § 10 RVG entfällt. Festzustellen ist, dass auch nach § 14 Abs. 3 UStG n.F. bei Übermittlung einer eRechnung Verfahren angewendet werden müssen, die die Herkunft und Echtheit der Daten garantieren. Anderenfalls dürften die Rechnungen durch den Rechnungsempfänger nicht zum Vorsteuerabzug verwendet werden. Beruhigend ist jedoch, dass auch mit der Einführung der eRechnungspflicht eine qualifizierte elektronische Signatur des rechnungsausstellenden Anwalts nicht zwingend vorgeschrieben ist. Denn wie bisher wird für die Herkunfts- und Echtheitskontrolle auch ein funktionierendes innerbetriebliches Kontrollverfahren (IKS) beim Rechnungsempfänger ausreichen. Der neue § 14 Abs. 3 UStG ist insofern mit den bisher geltenden Regelungen in § 14 Abs. 1 Satz 2-6 und Abs. 3 UStG wortgleich. Der Gesetzgeber schreibt weiterhin kein technisches Verfahren vor, das Rechnungsaussteller und -empfänger verwenden müssen, um die korrekte Übermittlung ohne Verfälschung der Rechnung zu garantieren. Wie bisher können auch ab 2025 im Rahmen des IKS beim Rechnungsempfänger manuelle Prüfschritte genutzt werden, z.B. ein zuverlässiger Abgleich der Rechnung mit den geschäftlichen Unterlagen (s. a. Abschn. 14.4 UStAE zu § 14 UStG).
Es ist absehbar, dass die deutsche Anwaltschaft wie alle deutschen Wirtschaftsbeteiligten im B2B-Geschäft für die Digitalisierung der Rechnungseingangs- und -ausgangsprozesse zusätzliche Aufwendungen kalkulieren muss. Der Gesetzgeber ist der Kritik der Verbände mit leicht verlängerten Umsetzungsfristen begegnet, hat aber klargestellt, dass an der elektronischen Rechnungslegung kein Weg vorbeiführt. Das Bundesfinanzministerium hat unterstützend angekündigt, ein kostenloses Angebot zur Erstellung und zur Visualisierung elektronischer Rechnungen zu entwickeln. Dies würde Kanzleien, die keine eRechnungsfähige Software einsetzen, zumindest entlasten können.
Hinweis: Diese Ausführungen ersetzen keine individuelle steuerrechtliche Beratung.