Kurzbericht der Bundesrechtsanwaltskammer über die 78. Tagung der Gebührenreferenten, die am 19.10.2019 in Koblenz stattfand:
1. RVG-Anpassung
Der aktuelle Stand der Anpassung der Rechtsanwaltsvergütung war Thema der 78. Tagung der Gebührenreferenten:
Die Justizministerinnen und Justizminister der Länder (JuMiKo) befassten sich im Rahmen ihrer 90. Konferenz am 05./06.06.2019 sowohl mit dem gemeinsamen Forderungskatalog zur Anpassung des RVG von BRAK und DAV als auch mit dem Bericht der Länderarbeitsgruppe „Neues Haushaltswesen“ zur Evaluierung der Erhöhung der Gerichtsgebühren durch das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 23.07.2013 (2. KostRMoG). Im Ergebnis war sich die JuMiKo einig, dass die dauerhafte Sicherung einer leistungsstarken Justiz im gemeinsamen Interesse von Bund, Ländern, Rechtsdienstleistern und Rechtsuchenden liegt. Die Sicherung der Leistungsstärke setze eine angemessene Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte genauso voraus wie eine angemessene personelle und sächliche Ausstattung der Justiz. Insofern wurden die Justizministerinnen der Länder Hessen und Schleswig-Holstein sowie der Justizsenator des Landes Hamburg von der JuMiKo beauftragt, Gespräche mit dem Präsidenten der BRAK und der Präsidentin des DAV zu führen.
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) teilte mit, zunächst das Ergebnis der Gespräche zwischen Anwaltschaft und den von der JuMiKo beauftragten Vertretern abzuwarten, bevor mit der Erarbeitung eines Referentenentwurfs begonnen wird. (Bitte beachten Sie die Fußnote).
2. Abrechnung standardisierter bzw. automatisierter Rechtsdienstleistungen
Die Gebührenreferenten setzten sich erneut mit der Frage auseinander, ob für die Erbringung standardisierter bzw. automatisierter Rechtsdienstleistungen ein neuer Vergütungstatbestand geschaffen oder dafür der Rahmen der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG abgesenkt werden sollte.
Nach eingehender Diskussion sahen die Gebührenreferenten keinen Bedarf für eine Gesetzesänderung und fassten folgenden Beschluss:
Die Gebührenreferenten sind einstimmig der Auffassung, dass der derzeitige Gebührentatbestand der Nr. 2300 VV RVG durch den bestehenden breiten Ermessensspielraum ausreichend ist, um auch standardisierte Rechtsdienstleistungen angemessen berücksichtigen zu können.
Gleichzeitig richteten die Gebührenreferenten den Appell an die Rechtsanwälte, bei der Festlegung und Bestimmung der Gebühr nach Nr. 2300 VV RVG die durch die Digitalisierung bedingten Arbeitserleichterungen im Rahmen ihrer Ermessensausübung hinsichtlich der Kriterien des § 14 RVG zu berücksichtigen.
3. Überlegungen zu inkassorechtlichen Vorschriften
Ein weiteres Thema der 78. Tagung der Gebührenreferenten war der am 16.09.2019 vom BMJV vorgelegte Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht. Dieser sieht insbesondere folgende gebührenrechtliche Änderungen vor:
• Einführung einer Schwellengebühr von 0,7 für die Einziehung unbestrittener Forderungen in Nr. 2300 VV RVG-E,
• Absenkung der Einigungsgebühr von 1,5 auf 0,7 bei Abschluss einer Zahlungsvereinbarung in Nr. 1000 VV RVG-E und
• Anhebung des Gegenstandswerts in § 31b RVG-E von 20 % auf 50 %.
Ferner sieht der Referentenentwurf in § 43d Abs. 3 und 4 BRAO-E eine Erweiterung der Darlegungs- und Informationspflichten des Rechtsanwalts über die entstehenden Kosten einer Zahlungsvereinbarung und über die wesentlichen Rechtsfolgen des mit der Vereinbarung angestrebten Schuldanerkenntnisses vor.
Die Tagungsteilnehmer halten die vorgesehenen Gesetzesänderungen im RVG für den falschen Ansatz, um Verbraucher vor zu hohen, missbräuchlichen Inkassogebühren der Inkassodienstleister zu schützen. Problematisch ist nach ihrer Ansicht insbesondere, dass der Gesetzgeber nicht zwischen dem von Inkassodienstleistern und dem von Rechtsanwälten durchgeführten Forderungsinkasso differenziert. Eine solche Differenzierung zwischen Inkasso- und Rechtsanwaltsgebühren sei aber zwingend erforderlich. Denn mit Inkasso beauftragte Rechtsanwälte würden ihre Gebühren in Ausübung ihres Ermessens abrechnen; dies hätte ansonsten eine Strafbarkeit nach § 352 StGB (Gebührenüberhebung) zur Folge. Um den Exzessen der Inkassodienstleister zu begegnen, sollte für diese vielmehr eine eigene Gebührenordnung geschaffen werden.
Deshalb wiederholen die Gebührenreferenten den in ihrer vergangenen 77. Tagung gefassten Beschluss wie folgt:
Die Gebührenreferententagung lehnt erneut die Überlegungen zu inkassorechtlichen Vorschriften, soweit die Anwaltschaft betroffen ist, ab. Sie ist der Auffassung, dass man mit den geltenden Gesetzen und mit den Möglichkeiten der Erläuterung und der Darlegung der anwaltlichen Tätigkeit im Aufforderungsschreiben den Unterschieden zwischen den reinen inkassodienstlichen und anwaltlichen Tätigkeiten ausreichend gerecht wird.
4. Anwaltliche Erfolgshonorare und Legal Tech
Ferner befassten sich die Gebührenreferenten erneut mit den möglichen Auswirkungen der Geschäftsmodelle der prozessfinanzierenden Inkassodienstleister im Bereich Legal Tech auf den Rechtsberatungsmarkt und das anwaltliche Berufsrecht.
Speziell diskutierten sie, ob das Verbot der Vereinbarung von Erfolgshonoraren nach § 49b Abs. 2 BRAO i. V. m. § 4 a RVG weiterhin aufrechterhalten werden sollte. Denn das Geschäftskonzept der Legal-Tech-Unternehmen basiert auf der Vereinbarung einer Art Erfolgshonorar mit dem Verbraucher; Rechtsanwälten ist dies jedoch berufsrechtlich untersagt. Um Wettbewerbsverzerrung für die Anwaltschaft zu verhindern, stellt sich die Frage, ob Rechtsanwälten die gleichen Rechte wie Inkassodienstleistern zugesprochen werden oder Inkassodienstleister die gleichen Einschränkungen erhalten sollten, denen die Anwaltschaft bereits nach der BRAO unterliegt.
Die Gebührenreferenten erörterten daher die Vor- und Nachteile einer weiteren Teilfreigabe des Verbots nach § 49b Abs. 2 BRAO, insbesondere in Hinblick auf die Rolle des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege und der Sicherstellung des Zugangs zum Recht als auch die etwaigen Auswirkungen auf das Kostenerstattungs- und PKH/VKH-System. Teil der Diskussion waren auch die Überlegungen des BMJV, das Verbot des Erfolgshonorars bis zu einer bestimmten Streitwertgrenze (ca. 2.000 Euro) freizugeben und für den darüber hinausgehenden Streitwertbereich in § 4a Abs. 1 RVG insbesondere das Tatbestandsmerkmal der wirtschaftlichen Verhältnisse zu streichen.
Die Gebührenreferenten werden die Diskussion im Rahmen ihrer nächsten Tagung fortführen.
5. 15-Minuten-Zeittaktklausel
Darüber hinaus setzten sich die Gebührenreferenten mit dem Urteil des OLG München vom 05.06.2019 (Az. 15 U 318/18 Rae) auseinander. Dieses vertritt u. a. die Auffassung, dass die formularmäßige Vereinbarung einer Abrechnung nach einem 15-Minuten-Takt, die zur Aufrundung des Zeitaufwands für jede einzelne an einem Tag ausgeführte Tätigkeit führt, gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB verstößt. Insofern hat sich der 5. Senat des OLG München der Auffassung des 24. Senats des OLG Düsseldorf (Urt. v. 29.06.2006, Az. I 24 U 196/04) angeschlossen. Da der unterlegene Rechtsanwalt in Revision gegangen ist, bleibt die Entscheidung des BGH zur Wirksamkeit von 15-Minuten-Klauseln abzuwarten (siehe BGH, Urt. v. 13.02.2020, Az. IX ZR 140/19).
6. Nachträgliche Vergütungsvereinbarung
Die Gebührenreferenten befassten sich der Handhabung einer Kanzlei, die ihren Mandanten nachträgliche Vergütungsvereinbarungen übersendet, sobald sich das jeweilige laufende Verfahren dem Ende nähert; dabei wird die Vereinbarung eines Erfolgshonorars vorgesehen.
Nach Auffassung der Gebührenreferenten ist grundsätzlich der Abschluss einer nachträglichen Vergütungsvereinbarung auch während des laufenden Verfahrens möglich. Die Vereinbarung eines Erfolgshonorars sei hingegen nur vor Beginn des Verfahrens zulässig; hier sei der Gesetzeswortlaut des § 4a RVG eindeutig. Denn Voraussetzung nach § 4a Abs. 1 Satz 1 RVG ist, dass der Mandant aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse bei verständiger Betrachtung ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten würde – dies sei im laufenden Verfahren nicht mehr der Fall.
7. Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Strafverfahrens
Im Übrigen beschäftigten sich die Gebührenreferenten mit dem Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Strafverfahrens. Dieser sieht nach § 397b StPO-E eine Bündelung der Nebenklagevertretung vor. Das Gericht solle bei Vorbereitung der Hauptverhandlung prüfen, ob mehrere Nebenkläger gleichgelagerte Interessen vertreten. Dafür soll ein Rechtsanwalt beigeordnet werden; und zwar einer unbestimmten Anzahl von Nebenklägern.
Die vergütungsrechtliche Konsequenz dieses Referentenentwurfs sei, dass im Wege der gebündelten Nebenklage beigeordnete Rechtsanwälte im Vergleich zu Verteidigern keine angemessene Vergütung erhalten werden. Insofern fassten die Gebührenreferenten folgenden Beschluss:
Die Gebührenreferenten sind der Auffassung, dass unabhängig von den berufsrechtlichen Bedenken jedenfalls aus gebührenrechtlicher Sicht die im Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Strafverfahrens des BMJV vorgesehene Regelung des § 397b StPO-E, mehrere Nebenkläger gemeinsam beizuordnen, eine unzuträgliche Gebührenverkürzung für Rechtsanwälte darstellt.
8. 79. Tagung der Gebührenreferenten
Die ursprünglich für den 15.05.2020 in Berlin vorgesehene 79. Gebührenreferententagung musste bedingt durch die Corona-Pandemie abgesagt werden. Die 79. Tagung der Gebührenreferenten wird vs. am 24.10.2020 in Hamburg stattfinden.