Lieferkettengesetz (LkSG): Sind auch Anwaltskanzleien betroffen?

Von Avvocato und Rechtsanwältin Dott.ssa Marilena Bacci, Vorstandsmitglied der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main

 

Mit der Einführung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (in der Folge: LkSG) soll der Schutz sowohl von Menschenrechten als auch der Umwelt im Zuge von Warenlieferungen bzw. Dienstleistungen erwirkt werden. Dementsprechend werden Unternehmen dazu verpflichtet, die im Gesetz festgelegten menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten, mit dem Ziel, entsprechenden Risiken vorzubeugen bzw. diese zu minimieren oder die Verletzung entsprechender Pflichten zu beenden (§§ 2ff. LkSG).

Gemäß § 1 LkSG ist das Gesetz zunächst auf Unternehmen anzuwenden, die, ungeachtet ihrer Rechtsform, Hauptverwaltung, Hauptniederlassung, Verwaltungssitz oder satzungsmäßigen Sitz im Inland haben und, ab diesem Jahr mindestens 1.000 Arbeitnehmer im Inland beschäftigen; ins Ausland entsandte Arbeitnehmer sind erfasst. Dies gilt auch für Rechtsanwaltskanzleien.

Im Ergebnis sind Rechtsanwaltskanzleien eher als Lieferanten/Zulieferer im Sinne des LkSG einzuordnen, da es sich um ein Gesetz über die Sorgfaltspflichten in der gesamten Lieferkette handelt. Die Verantwortung der verpflichteten Auftraggeber (mit 1.000 Mitarbeitern) führt dazu, dass die in erster Linie verpflichteten Mandanten zunächst angehalten sind, nicht nur eine interne, sondern auch eine externe Compliance und Due Diligence gegenüber der Gesamtheit ihrer Lieferanten zu führen.

Nach § 5 Abs. 1 LkSG muss der verpflichtete Auftraggeber grundsätzlich eine angemessene Risikoanalyse zur Ermittlung der menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken im eigenen Geschäftsbereich und bei seinen unmittelbaren Zulieferern durchführen. Angemessene Präventionsmaßnahmen sind wiederum nur dann zu ergreifen, wenn das verpflichtete Unternehmen im Rahmen seiner Risikoanalyse nach § 5 LkSG ein Risiko feststellt (§ 6 Abs. 1 LkSG). Nach § 6 Abs. 4 LkSG sind angemessene Präventionsmaßnahmen, welche nach Nr. 4 die Vereinbarung angemessener vertraglicher Kontrollmechanismen und deren risikobasierte Durchführung beinhalten, dementsprechend zunächst nur gegenüber unmittelbaren Zulieferern zu verankern.

Gemäß § 9 LkSG ist der verpflichtete Auftraggeber allerdings gegenüber mittelbaren Zulieferern ebenfalls verpflichtet, ein Beschwerdeverfahren einzurichten, ein bestehendes Risikomanagement und Präventionsmaßnahmen zu erstellen und umzusetzen, wenn ihm, anlassbezogen, tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die eine Verletzung einer menschenrechtsbezogenen oder einer umweltbezogenen Pflicht möglich erscheinen lassen (s.g. substantiierte Kenntnis).

Das LkSG führt damit ausdrücklich als weitere Akteure sowohl die unmittelbaren als auch die mittelbaren Zulieferer auf (§ 2 Abs. 5 Nr. 2und 3 sowie Abs. 7 und 8 LksG) und schließt zunächst sämtliche Kategorien ein.

Klassischerweise ist eine Anwaltskanzlei, in ihrer Beraterrolle und/oder als Interessenvertreter innerhalb eines Mandats, eher als mittelbarer Zulieferer einzuordnen. Die von der Kanzlei erbrachte Dienstleistung wäre dann als s.g. Zulieferung im Sinne des LkSG zu verstehen, wenn sie für die Erbringung der vom verpflichteten Mandanten selbst erbrachten Dienstleistung bzw. Lieferung notwendig ist. Beispiel: Die Beratung und/oder Vorbereitung eines Rahmenvertrages für Warenlieferung. Hier dient die von der Kanzlei erbrachte Dienstleistung nur mittelbar dem eigentlichen Geschäft des verpflichteten Auftraggebers.

Es besteht allerdings auch die Möglichkeit, dass die von einer Anwaltskanzlei erbrachte Dienstleistung dazu führt, dass sie als unmittelbarer Zulieferer im Sinne des LkSG eingestuft wird, wenn und soweit Dienstleistungen erbracht werden, die für die Erbringung und Inanspruchnahme der vom verpflichteten Auftraggeber selbst erbrachten Dienstleistung unmittelbar notwendig sind. Beispiel: Eine Spezialberatung in einem Rechtsgebiet gegenüber einer Anwaltskanzlei bzw. Beratungsunternehmen, das wiederum als verpflichtetes Unternehmen gemäß § 1 LkSG in den Anwendungsbereich des Gesetzes fällt. Hier dient die Spezialberatung unmittelbar der Umsetzung der Dienstleistung des verpflichteten Auftraggebers, der sich dem Spezialwissen eines Anwaltes bedienen muss.

Obgleich in Brüssel die Abstimmung über die s.g. europäische Lieferketten‑Richtlinie kürzlich verschoben werden musste, hat das in Deutschland bereits seit letztem Jahr in Kraft getretene Gesetz nicht nur im Inland erste Auswirkungen gezeigt. Weiter konnte beobachtet werden, dass Mandanten (verpflichtete Auftraggeber) bei den beauftragten Kanzleien entsprechende Anfragen gestellt bzw. Erklärungen verlangt haben. Es ist ebenfalls davon auszugehen, dass in naher Zukunft auch auf Europaebene ein entsprechendes Gesetz verabschiedet wird.

Müssen Rechtsanwaltskanzleien deshalb in Panik geraten? Nein. Müssen Rechtsanwaltskanzleien aufhorchen? Ja. Die zukunftsorientierte Kanzlei sollte sich nicht nur für Mandanten, sondern auch im eigenen Interesse mit dem LkSG auseinandersetzten und das Thema Nachhaltigkeit auf der eigenen Agenda priorisieren. Dies nicht nur, um der verpflichteten Mandantschaft zuvorzukommen und mit ihr in einen konstruktiven Dialog einzutreten, sondern auch im Sinne des Allgemeinwohles für zukünftige Generationen und im Hinblick auf ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem Markt wie auch am Arbeitsmarkt. Dabei dürften z.B. weder die Anforderungen des LkSG noch Vereinbarungen eine Durchbrechung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht rechtfertigen können. Es ist auch abzuwarten, ob und inwieweit das BAFA, ähnlich wie für die Kredit- und Versicherungswirtschaft, auch für das Rechtsanwaltswesen eine Handreichung veröffentlichen wird. Festzuhalten ist weiterhin, dass das BAFA, in seiner jüngsten Handreichung zum LkSG erläutert, dass die Verantwortung für die Erfüllung der Sorgfaltspflichten in erster Linie bei den verpflichteten Unternehmen verbleibt.

 

Quelle:

https://www.bafa.de/SharedDocs/Downloads/DE/Lieferketten/handreichung_zusammenarbeit_in_der_lieferkette.html?nn=1469788, Seite 2 Handreichung: https://www.bafa.de/DE/Lieferketten/Zusammenarbeit_in_der_Lieferkette/zusammenarbeit_in_der_lieferkette_node.html

 

Kammerton 04-2024